Fräulein stickt: Kreuzstich und Geduldsprobe
Ich weiß nicht mehr genau, wie ich zum Sticken gekommen bin. Ich muss wohl auf meinem Sofa gesessen und bei mir gedacht haben: „Weißt du, was du unbedingt brauchst? Noch ein Hobby!“ Und damit war mein Schicksal dann besiegelt.
Fairerweise sollte man dazu sagen, dass sich Handarbeits-Hobbys ja durchaus ergänzen und sich gegenseitig inspirieren. Vielleicht wäre es ohnehin besser, wenn ich demnächst bei der Frage nach meiner Freizeitgestaltung einfach mit „Handarbeit“ antworte und auf die Nachfrage „Was denn genau?“ schlichtweg mit „Alles“.
Vor ein paar Monaten jedenfalls kam ich auf die tolle Idee, ich müsste doch auch mit dem Sticken anfangen. Allerdings hatte ich auch echt gute Gründe dafür, ganz wirklich. Zum einen liebe ich historische Kleider und würde die am liebsten alle nachnähen – also, sobald ich das kann, aber am besten ist ja immer noch Learning by Doing, und ein paar Stücke habe ich tatsächlich schon fertig. Gerade die Kleider aus dem Rokoko, dem Empire oder auch der Tournüre waren oft reich verziert, also ist das mit dem Sticken ja ohnehin ein „Skill“, den ich brauche. Hah! Voll logisch, nä?
Erschwerend kommt dazu, dass meine Tante die tollsten Kreuzstich-Bilder zaubert, von denen auch ein paar bei mir in der Wohnung hängen, und ich bei mir um die Ecke einen bezaubernden Laden für Handarbeit mit Fokus Sticken habe. Dass ich früher oder später mit dem Sticken anfangen würde, war also quasi mit Ansage.
Ich wünschte sehr, ich könnte euch an dieser Stelle eine wundervolle Galerie mit kunstvoll vollendeten Stickereien zeigen, die ich seither vollendet habe. Die traurige Wahrheit ist aber, ich sitze noch immer an meinem ersten Bild. Dabei besteht es bloß aus Ornamenten mit einem Spruch in der Mitte. Eigentlich sollte das ja recht fix gemacht sein, aber …
Ich verzähl mich ständig, jetzt auf den letzten Metern, und mir fällt das immer erst dann auf, wenn eine weitere Reihe oder Ornament nicht so dazu passt, wie sie es laut Vorlage tun müssten, und muss nochmal alles auftrennen. Dabei habe ich schon extra ganz grobes Leinen mit gut sichtbarem Fadenlauf gekauft. Wie machen das Leute wie meine Tante, die winzig kleine Bilder sticken? Hängt das mit schwarzer Magie oder so zusammen? TELL ME YOUR SECRETS.
Ich bleibe dran, und sticke weiter, und hoffe wirklich, wirklich, dass am Ende alles zusammenpasst und mir alle Fehler rechtzeitig aufgefallen sind. Wenn nicht, fange ich an zu schreien („Du schreist doch schon, Eunice!“) oder … oder … oder mache sonst was. Keine Ahnung. Werfe das Ding in den Müll, verkrieche mich auf der Couch und gucke ein Wochenende lang mit abgedunkelten Fenstern alle Staffeln „Gilmore Girls“.
Ihr kennt das.
2 Kommentare
Sandra
19. April 2017 at 21:02Ich bewundere dich! Sticken und Co. sind einfach vollkommen jenseits meines Geduldsfadens… Ich weiß, dass ich es in der Schule machen musste, und ich hätte damals am liebsten pausenlos schreiend in die Tischkante gebissen. Umso gespannter bin ich auf deine Fortschritte – und auf das fertige Bild!
Romy
20. April 2017 at 20:04Ich halte dich auf dem Laufenden! 😀
Ich mag DInge, die ich zur Entspannung auf der Couch oder vor dem Fernseher tun kann. Und es sind Projekte, die man wunderbar auch einfach mal ohne schlechtes Gewissen zwei Wochen zur Seite legen kann, wenn man keine Lust hat 🙂 Ich mag das Gefühl, mit Nadel und Faden zu hantieren, vor allem, wenn man sonst so viel am Computer arbeitet. Es hat sowas Handfestes, Haptisches – und Meditatives.