Fräulein liest #20: The Cater Street Hangman – Anne Perry
A killer is strangling young women in Cater Street, leaving their swollen-faced bodies in the dark shadows of this genteel neighbourhood. When the Ellison family’s maid becomes the murderer’s third victim, young Inspector Thomas Pitt is assigned to the case. He must break through the walls of upper-class society to get at the truth, and his investigation gradually peels away its veneer, exposing secrets and desires until suspicion becomes more frightening than truth.
Outspoken Charlotte Ellison, struggling to remain within the confining expectations of Victorian manners, has no trouble expressing herself to the irritating policeman. As their relationship shifts from antagonism to something more complicated, Thomas and Charlotte must work together to solve the mystery before the Cater Street hangman strikes again.
Manche Bücher stehen jahrelang im Schrank, ohne je gelesen zu werden (was nicht zuletzt Sinn und Zwecks dieses Blogs ist – lies die verdammten Bücher, Romy). Und am Ende fragt man sich dann, warum man das Buch nicht schon viel, viel eher gelesen hat. Anne Perrys “The Cater Street Hangman” (auf Deutsch “Der Würger von Cater Street”) ist eines dieser Bücher.
Die Handlung von “The Cater Street Hangman” ist an und für sich nichts besonderes – jemand schleicht nachts durch die Stadt und erwürgt unschuldige Mädchen. Ein junger Polizeiinspektor wird darauf angesetzt, den Fall zu lösen und muss festellen, dass die High Society ihren geregelten Tagesablauf ungern gestört sieht. Soweit, so gut.
Was das Buch zu einem kleinen Juwel macht sind zwei Dinge: Die Präzision, mit der Anne Perry aus dem Leben in einem spätviktorianischen Haushalt erzählt, und die Figuren. (Ein ganz klein bisschen hat mich das tatsächlich an Georgette Heyer erinnert – wenn Frau Heyer denn Krimis geschrieben hätte.) Zum Beispiel der herrische Vater, der den Damen des Hauses das Zeitunglesen verbietet, die mürrische Großmutter, die jüngste Schwester Emily, die unbedingt einen reichen Mann heiraten will und nicht zuletzt Charlotte, die mit ihrer “unfemininen” Art überall aneckt und heimlich in den Mann ihrer älteren Schwester verliebt ist.
Dabei bilden die Morde, die allesamt “Off-Screen” geschehen, eigentlich nur die Bühne, damit die Figuren in Aktion treten können: Als auch das Hausmädchen der Familie Ellison dem berüchtigten Würger zum Opfer fällt, schneit Inspector Pitt in den Haushalt der betuchten Familie, und zwingt deren Mitglieder mit seinen Fragen dazu, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Wer könnte der Mörder sein? Ist es jemand aus dem näheren Umfeld? Gar jemand der feinen Gesellschaft? Als die Fassade des Ellison-Haushalts zu bröckeln beginnt, kommen unangenehme Wahrheiten ans Licht, und das Leben der Familie wird nie wieder so sein wie vorher.
Wirklich gut gefallen hat mir, dass die gesamte Geschichte wechselnde personale Erzähler hat, die ausschließlich aus der Ellison-Familie stammen und folglich bisher ein sehr behütetes Leben geführt haben. Über Inspector Pitt und seine Arbeit erfährt man nur das, was sich die Ellisons durch Beobachtung und Pitts Äußerungen zusammenreimen. Dabei wird relativ schnell klar, dass Pitt ausgerechnet auf die burschikose Charlotte ein Auge geworfen hat, sich seiner sozialen Stellung aber durchaus bewusst ist. Als Ermittler von niederer Geburt gilt er den Ellisons defakto als Handwerker oder Händler, ganz sicher aber nicht als ebenbürtig. Entsprechend springen die Ellisons mit dem “uneleganten Mann” um. Dass Pitt dabei ein sehr cleverer und mitfühlender Mann ist, bekommen die Ellisons nicht einmal mit. Nur nach und nach beginnt Charlotte, sich für Inspector Pitt zu erwärmen, und ihm bei der Ermittlung zu helfen.
Der Kriminalfall an sich ist eine solide aufgebaute “Cozy Mystery”, die mich über lange Strecken über den möglichen Täter mitzurätseln ließ. Ich war zwar relativ schnell auf der richtigen Fährte, das hat meinem Lesevergnügen aber keinen Abbruch getan. Die Auflösung kommt am Ende etwas von jetzt auf gleich, aber da ich in erster Linie wegen den Figuren und dem Setting gelesen habe, hat mich das nicht weiter gestört. Da es sich um eine Reihe handelt (32 Bände … das hat mir vorher keiner gesagt) fungiert “The Cater Street Hangman” als schöner Auftakt, der die Figuren und zentrale Konflikte einführt, und ich hoffe wirklich, in den nächsten Büchern auch etwas aus Pitts Perspektive lesen zu können.
Und jetzt entschuldigt mich, ich muss die nächsten … oh, sagen wir, fünf Bände bestellen.