Reden wir über Taylor Swift
Taylor Swift ist in Deutschland unterwegs und die Medien sind in hellem Aufruhr. Gefühlt täglich erscheinen neue Artikel, die das “Mysterium Taylor Swift” zu entschlüsseln zu versuchen. Ernsthaft? Es riecht ein bisschen nach Sexismus.
Popstars, die riesige Stadien füllen und eine breite Fangemeinde haben, sind spätestens seit den Beatles keine Neuerscheinung. Tatsächlich ist der Fankult um Taylor Swift mit den Beatles vergleichbar, denn während die Bahn 1966 ganze Züge zeitweise in “Ringo Starr” und “John Lennon” umbenannte, um Fans zu den Konzerten zu bringen, wurde aus Gelsenkirchen während Taylor Swifts dreitägigen Gastspiel kurzerhand “Swiftkirchen”. Niemand würde es aber öffentlich wagen, Taylor Swift mit den Beatles zu vergleichen, schon gar nicht musikalisch. Denn sie ist ja “nur” Taylor Swift.
Sie hat als junge Country-Pop-Musikerin angefangen, sah entzückend aus mit den blonden Haaren und wurde 2009 während den VMAs nach ihrem Gewinn von Kanye West von der Bühne gedrängt, weil Beyoncé seiner Meinung nach den Preis mehr verdient hatte. Von Anfang an wurde die eher unscheinbare junge Frau nicht ernst genommen, vor allem nicht als Künstlerin. Dass sie alle ihre Lieder selbst schreibt, wird höchstens dann relevant, wenn es um ihre Beziehungen und Trennungen geht, die sie – berüchtigterweise – in ihren Texten verarbeitet. Wild wird dann spekuliert, welcher Song zu welchem ihrer Verflossenen gehört – ist “Style” eine Anspielung auf Harry Styles? Ist “Dear John” ein Lied über ihre Zeit mit John Mayer? Und wen datet sie gerade?
Was ist eigentlich mit Taylor Swifts Musik?
Mit ihrer Musik beschäftigen sich die wenigsten, die nicht zu ihrer Fangemeinde gehören, schon gar nicht die Medienlandschaft. Vielen Artikeln hängt eine gewisse Hochnäsigkeit inne, ein Belächeln der Fans und ihrer Konzerte. Großartige Show, ja, aber ist sie nicht doch ein wenig überbewertet?
(Ein Phänomen übrigens, das einige Künstler*innen mit hauptsächlich weiblichen Publikum betrifft, ob es nun Taylor Swift, BTS oder Justin Bieber ist.)
Dabei wird völlig übersehen, dass Taylor Swift eine fantastische Songwriterin ist, insbesondre, was ihre Qualitäten als Texterin angeht. Taylor Swift ist eine Erzählerin, die manchmal Lieder über sich selbst, aber auch über fiktionale Figuren schreibt, die sie durch ganze Alben (zum Beispiel “Folklore”) begleiten. Vor allem aber macht sie sich in ihren Liedern extrem verletzlich, offenbart ihr Innerstes, ihre Ängste und Wut, nicht immer hoch poetisch, aber immer real. Während andere Künstler*innen in ihrer Musik oft vage bleiben, ist es Taylor Swifts Ehrlichkeit, die eine Verbindung zu ihren Fans schafft.
Kein Platz für den Male Gaze
Gleichzeitig biedert sie sich in ihrer Musik nicht bei einem männlich gelesenen Publikum an – ihre Performances sind nicht übermäßig erotisch aufgeladen, ihre Outfits knapp aber nicht auf die Art, die sie zum Sexsymbol objektifizieren. In ihren Texten geht sie immer wieder offen gegen patriarchalische Strukturen an (“I would be complex /I would be cool/ They’d say I played the field before I found someone to commit to” The Man), benutzt die Wut, die ihr vom zumeist männlichen Teil der Gesellschaft entgegenschlägt als Futter für ihre Texte, und wird dadurch noch erfolgreicher.
Sie lässt sich nicht einschüchtern und in eine sexualisierte Rolle drängen, und das ist für eine Künstlerin von ihrem Status selten. Selbst Ikonen wie Madonna oder Beyoncé spielen immer wieder damit, sich für den Male Gaze begehrlich zu machen. Taylor Swift ist dieser Male Gaze wumpe, und vielleicht ist genau das der Grund, warum sich das Phänomen ihres Erfolgs den Medien nicht erschließt.
Und so werden Taylor Swifts Alben und Konzerte zu einem Safe Space für vor allem weiblich gelesene Menschen, aber auch für Männer, die selbstbewusst genug sind, damit klarzukommen, dass Taylor Swift und ihre Fans weder Zeit noch Muße für toxische Männlichkeit haben.
Verstehen wir uns nicht falsch: Es ist legitim, Taylor Swifts Musik nicht zu mögen. Der Hass, das Unverständnis und der Hohn, den die Musikerin immer wieder zu spüren bekommt hingegen riechen nach Neid und verletzten Ego.
Oder um Swift selbst noch einmal aus ihrem Lied „The Man“ zu zitieren:
They’d say I hustled /Put in the work
They wouldn’t shake their heads and question how much of this I deserve
What I was wearing/ If I was rude
Could all be separated from my good ideas and power moves?