„Emma“ (2020)
Kein Jahr ohne neue Jane Austen/Luisa May Alcott/Brontë-Verfilmung, zumindest kommt es einem manchmal so vor. So verwundert es dann auch nicht, dass 2020 dem Roman “Emma” von Jane Austen eine neue Kino-Adaption zugelost wurde.
“Emma” ist, das muss man vorwegschicken, nicht jedermanns Sache. Vielen ist die namensgebende Protagonistin zu zickig, zu verwöhnt, zu selbstsüchtig. Ich auf der anderen Seite liebe den Stoff abgöttisch. Als ich die hochkarätig besetzte Verfilmung dann vorgestern bei einem Streaming-Anbieter entdeckte, stand mein Abendprogramm fest.
Emma, kurz und bündig erklärt
Die Geschichte in aller Kürze: Emma Woodhouse ist schön, reich, klug, beliebt. Und furchtbar, furchtbar gelangweilt. Nachdem erst ihre ältere Schwester und dann ihre langjährige Gouvernante heiraten und aus dem Familiensitz der Woodhouses ausziehen, bleibt Emma mit ihrem alternden Vater allein zurück. Der kann die Abwesenheit seiner ältesten Tochter und der Gouvernante kaum ertragen und so steht für Emma fest, dass sie niemals heiraten wird.
Das hält sie jedoch nicht davon ab, sich in die Herzensangelegenheiten anderer Menschen einzumischen. Und so verkuppelt Emma, wo es nur geht und merkt zu spät, dass echte Menschen auch echte Gefühle haben.
Eine ungewöhnliche Jane Austen-Heldin
Im Gegensatz zu den meisten anderen Werken von Jane Austen ist die Protagonistin keine verarmte Landadelige, die um jeden Preis einen Mann finden muss, um ihre Zukunft abzusichern. Emma ist stinkreich, von hohem sozialen Rang, und muss daher nicht zwangsläufig heiraten. Oder, um es mit Emmas eigenen Worten zu sagen:
„(…) I shall not be a poor old maid; and it is poverty only which makes celibacy contemptible to a generous public! A single woman, with a very narrow income, must be a ridiculous, disagreeable old maid! — the proper sport of boys and girls — but a single woman, of good fortune, is always respectable, and may be as sensible and pleasant as any body else.“
„Emma„, Jane Austen
In dieser Hinsicht unterscheidet sich Emma deutlich von vielen anderen Heldinnen aus Austens Feder: Emma muss sich nicht zurücknehmen, um irgendjemand zu gefallen. Sie hat keine Skrupel, ihren scharfen Geist und Witz zu zeigen, sie muss sich – metaphorisch gesehen – vor niemandem kleinmachen. Vielleicht mochte ich Emma schon deshalb immer so gerne. Sie ist nicht unbedingt sympathisch, aber vielschichtig.
So steckt hinter der verwöhnten Göre letztlich eine junge Frau, die ihrem greisen Vater zuliebe ihr eigenes Glück opfern würde. Emma Woodhouse hat alles und doch nichts. Aufgrund ihres notorisch ängstlichen Vaters hat Emma es nie wirklich über die Grenzen Highburys hinaus geschafft. Zu gerne würde sie einmal das Meer sehen. Als sie die Waise Harriet Smith unter ihre Fittiche nimmt, hat sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine gleichaltrige Freundin.
So viel dazu. Und wie ist die Verfilmung jetzt?
Was fürs Auge und was für die Ohren
In vielen Bereichen ist der Film herausragend – angefangen von den historisch absolut akuraten Kostümen bis hin zum Casting, der Bildführung, dem himmlischen Soundtrack. Der Humor ist wie Jane Austens Prosa selbst messerscharf.
Und dennoch- dennoch.
Irgendwas ist ja immer
Möglicherweise aufgrund des zuweilen stilisierten Humors fühlen sich die Figuren ein wenig – steril an. Ich vermute, hätte “Emma” bei mir nicht von Haus aus einen Vertrauensvorschuss und ich hätte vorher keine anderen Berührungspunkte mit den Figuren gehabt, wären sie mir wohl fremd geblieben. (Und dass obwohl Mr. Knightley hier einmal halbnackt durchs Bild läuft und sich vor sexuellem Frust theatralisch auf den Boden wirft. Oder vielleicht gerade deswegen?)
Die Adaption fühlt sich an wie eine wunderschöne Verfilmung, die das Herz der Geschichte letzten Endes doch nicht zu fassen kriegt. Damit fällt sie auf der Rangliste hinter “Emma” von 1996 mit Gwyneth Paltrow und Jeremy Norton, und der TV-Adaption aus 2009 mit Romola Garai und Johnny Lee Miller zurück. Und hinter “Clueless”, denn ja, auch das ist eine Adaption von “Emma”.
Als ob ich jemals aufhören könnte, „Emma“ zu schauen
Werde ich mir die Verfilmung immer wieder und wieder ansehen? Aber auf jeden Fall. Sie ist eine vor allem optisch tolle Ergänzung zu den bisherigen Adaptionen, und bei weitem kein schlechter Film.
Als Einführung empfehle ich aber weiterhin “Emma” von 1996. Oder direkt das Buch.