Kirschblüte: Wie ein kleines Wunder
Als letztes Jahr der erste Lockdown verordnet wurde, habe ich in meiner Nachbarschaft Kirschbäume entdeckt. Ich hatte bis dato keine Ahnung von ihrer Existenz, denn den Park um die Ecke hatte ich bis dahin nur sehr selten besucht. Da die Blütezeit von Kirschbäumen relativ kurz ist, hatte ich die Bäume nie in voller Pracht gesehen und mir keine weiteren Gedanken darüber gemacht, was sich für ein Schatz direkt in meiner Nähe verbarg.
Ich weiß noch, wie im letzten März der erste Lockdown kam. Ich saß in meiner Wohnung und hatte Angst, weil mich die Ungewissheit fertig machte. Das Gefühl von Stillstand und – bis zu einem Grad – Eingesperrtsein, kannte ich bis dahin nicht. Mittlerweile ist, was das betrifft, eine Art Resignation eingetreten, aber letztes Jahr um diese Zeit herrschte bei mir blanke Panik.
Lockdown-Blues
Weil ich die Unruhe nicht loswurde, tat ich etwas für mich völlig Ungewöhnliches – ich ging eine Runde spazieren. Nur ein paar Straßen von mir entfernt liegt ein kleiner Park, den ich bis dato praktisch ignoriert hatte, aber er lag auf dem Weg und so machte ich einen kurzen Abstecher.
Kirschblüten-Magie
Es war ein dunkler Tag, an dem es bereits geregnet hatten und tiefgraue Wolken am Himmel hingen. Die Straßen und der Park waren menschenleer, es war kalt und windig und mir ging es vom Kopf her nicht besonders gut. Und plötzlich standen da Kirschbäume in voller Blüte. Wunderschöne zartrosa und pinke Blüten vor einem dunklen Himmel, in einer dunklen Zeit, die sanft im Wind hin- und herwogen. Ich weiß, es klingt kitschig, wenn ich das so sage, aber es war magisch. Es war wie ein kleines Wunder. Und zumindest für diesen einen Tag half es mir aus dem Loch, in das ich gefallen war. Dafür war der Anblick einfach zu schön.
Letztes Jahr lernte ich dann auch, dass die Kirschblüte nicht lange andauert, denn gut eine Woche später war der Spuk schon praktisch vorbei.
Seitdem war ich öfters in meinem Park, im Schnee und im Sommer, zum Malen und um den Kopf freizukriegen. Vor allem aber hatte ich mir vorgenommen, diesen Frühling meine Kirschblüte nicht zu verpassen.
Gestern saß ich wieder unter meinen blühenden Kirschbäumen. Diesmal schien die Sonne, aber das Gefühl von einem kleinen Stück Magie ist geblieben. Es fühlte sich nach Frühling und einem neuen Anfang an. Fast jeder, der vorbeikam, blieb stehen um ein Foto zu machen oder die Bäume zumindest zu bewundern. Es fühlte sich fast an, als sei die Welt da draußen wieder in Ordnung.
Vielleicht gehe ich morgen nochmal hin.