Nachhaltiger Stil: Second-Hand, Flicken, Selbermachen
Second Hand-Läden haben mich nie begeistern können, aus drei Gründe: In den meisten roch es in meiner Jugend muffig. Meistens gab es nichts in meiner Größe. Und meine Mutter hatte mir anerzogen, dass gebrauchte Sachen „Ieh Bäh“ sind.
(Wie genau ich trotzdem letztendlich bei der Kelly Family gelandet bin, die nur Second Hand getragen haben, und deren Stil abgöttisch geliebt habe, wird immer ein Rätsel bleiben. Jugendliche Rebellion vielleicht?)
Kleider, aber nachhaltig
Kleidung und persönlicher Stil waren und sind mir sehr wichtig, und eigentlich will ich seit Monaten einen eigenen Post dazu schreiben. Irgendwie wollen die Worte nicht so recht kommen, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Bis dahin, lasst uns über Nachhaltigkeit und Fast Fashion reden.
Über das Konzept der „Fast Fashion“ bin ich erst vor ein paar Jahren gestolpert, und seitdem beschäftigt mich das Thema. Die Kleidungsindustrie ist eine der größten Verursacher der Klimakatastrophe. Wer einmal gesehen hat, wie in Südostasien für billig produzierte Ware hochgiftige Chemikalien in die Flüsse gekippt werden, dem dreht sich der Magen um. Nicht umsonst heißt es unter der Bevölkerung z.B. von Indien, der Fluss trage schon die Trendfarbe der nächsten Saison.
Fast Fashion basiert auf dem Prinzip Schnelllebigkeit. Kleidung wird en masse günstig für ein Jahr produziert, weil man darauf vertraut, dass die Fashion-Enthusiast*innen weltweit die Klamotte in spätestens einem Jahr leid sind. (Von den minderwertigen Materialien und der kurzen Haltbarkeit ganz zu schweigen.)
Das Gewissen regt sich doch
Erstmal war mein Gewissen eine Zeit lang beruhigt, weil ich zumindest da noch nie mitgemacht habe. Ich kaufe, was mir gefällt und trage die Kleidung, bis sie mir entweder vom Leibe fällt oder sie nicht mehr passt. Bei letzterem oder falls ich mich wirklich mal verkauft habe, gebe ich die Sachen an die Diakonie weiter.
Aber, dachte irgendwann, da muss doch mehr gehen. Seitdem versuche ich nicht nur vermehrt, mir Sachen selbst zu machen, sondern habe angefangen, Second Hand zu shoppen.
Danke, ich warte, bis der Applaus vorbei ist.
Die Entdeckung des Second Hand
Nun, okay, das muss ich vielleicht erklären. Wie bereits erwähnt wurde mir eine Abneigung gegenüber Second Hand-Kleidung beigebracht. Weil man ja nicht wisse, wer das vorher alles getragen und was der damit gemacht habe, und selbst mit Waschen würde man ja nicht alles rauskriegen. Dazu kommt halt, dass die meisten Second Hand-Läden irgendwie muffig riechen und die Auswahl für Menschen jenseits von Größe 40 oft begrenzt ist. Also hatte ich mit dem Thema eigentlich abgeschlossen.
Bis ich, und da muss ich jetzt schamlos Werbung machen, auf die App „Vinted“ gestoßen bin. Da kann man nämlich online Sachen aus privater Hand kaufen oder verkaufen, und weil die Community so riesig ist, gibt es für fast alle Größen hübsche Sachen zu ergattern.
Nachdem ich ursprünglich recht vorsichtig damit abgefangen habe, schaue ich mittlerweile regelmäßig vorbei und sehe nach, ob es was Nettes für mich gibt. Nicht selten suche ich auch gezielt, und habe letztens erst für vier Euro einen tollen Cord-Blazer mit Ellbogen-Flicken ergattert. (I MEAN GUYS!!!111!!!) Auch die ein oder andere Bluse oder Weste war schon dabei.
Die Jagd nach den Schnäppchen beginnt
Man muss wissen, was einem steht und seine Maße kennen, denn natürlich gibt es kein Rückgaberecht. Ein paar Mal habe ich auch ins Klo gegriffen, aber ein bisschen Schwund ist immer, und im Zweifelsfall gebe ich die Klamotten einfach weiter.
Der eindeutige Vorteil am Second-Hand kaufen ist natürlich, dass kein Material verschwendet wird. Statt etwas neu zu kaufen, wird etwas anderes wiederverwertet.
Außerdem, ganz ehrlich, macht die Jagd nach Schnäppchen einfach wahnsinnig viel Spaß. Ein Cord-Blazer mit Flicken für 4,00 Euro? Und gerade heute habe ich mir einen Mantel geschnappt, wie ich schon ewig einen haben wollte und er hat mich gerade 10 Euro gekostet. Second Hand-Shopping macht Spaß- wer hätte das denn ahnen können?
Oh, bevor einer fragt: Ja, ich trage die Sachen auch. Nachdem das anfängliche, anerzogene Unwohlsein erstmal überstanden war, gebe ich die Sachen (z.B. Jacken) jetzt entweder einmal in die Reinigung oder wasche den Rest eben, und dann sind es meine Klamotten und ich trage sie. Ganz ehrlich, das macht mich auch ein wenig stolz. Mein zwölfjähriges Kelly-Fan-Selbst wäre begeistert.
Luft nach oben bleibt bei mir reichlich, was das Thema Nachhaltigkeit und Fashion angeht. Zum Beispiel würde ich nur in absoluten Ausnahmefällen Hosen oder Schuhe gebraucht kaufen (it’s a thing for me), und wenn ich eine neue Jeans brauche, werde ich weiter bei den üblichen Verdächtigen kaufen. Aber ein Anfang ist gemacht. Hauptsache, man tut irgendwas, oder?
Langfristig bleibt mein Ziel, mehr Kleidung selbst zu nähen oder zu stricken. Und wenn ich es mir irgendwann leisten kann, möchte ich gerne nachhaltig produzierte Kleidung kaufen, gerne von kleineren Designern und Ateliers.
Machen, Flicken, bewusster Kaufen
Ich glaube, das Wichtigste ist, bewusst zu kaufen. Sich im Klaren darüber zu sein, dass z.B. Jeans in der Herstellung echte Klima-Zerstörer sind. Ja, ich trage weiter Jeans. Aber ich kaufe sie sehr bewusst, wenn ich eine brauche. Ich versuche, verschlissene Jeans zu ficken, wenn ich kann. Und wenn sie völlig hinüber sind, dann trage ich sie trotzdem weiter bei der Gartenarbeit.
Wir müssen nicht alles sofort richtig machen. Ich glaube, das kriegt niemand von uns hin. Aber immer darauf warten, dass jemand anders die Welt rettet, bringt auch nichts.
Hey, wenn ich über meinen Schatten springen kann, dann kann es wirklich jeder. Das ist die gute Nachricht.
Wie Mrs Errol in Der kleine Lord so schön sagt: „Jeder sollte mit seinem Leben die Welt ein ganz klein bisschen besser machen.“
Klingt vielleicht ein bisschen kitschig. Aber wenn wir uns alle daran halten würden, was meint ihr, was wir alles bewegen könnten?