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Winterstricken: Wider dem eigenen Perfektionismus

Lange Zeit habe ich gedacht, mein Gehirn wäre einfach nicht dafür gemacht, Stricken zu lernen. Meine Mutter konnte nicht stricken und stellte es immer als das Hexenwerk da, dass es in vielen Belangen immer noch für mich ist (ja, ich meine dich, Nadelspiel). So habe ich viele Stunden meines Lebens damit verbracht, Strickmuster bei Ravelry anzustarren und meine Freunde zu bewundern, dich sich großartige Mützen und Strickjacken einfach selbst machten.

Strickmütrze und Stirnband

Mein Leben war durchzogen von wiederkehrenden Intervallen, in denen ich versuchte, mir das Stricken beizubringen nur, um frustriert wieder aufzugeben. Natürlich hätte ich dabeibleiben können. Doch das ist leichter gesagt als getan, wenn einem von Kindesbeinen immer wieder gesagt wird, man habe keinerlei Begabung für irgendwelche Handarbeiten.

Bis ich mein Leid ein paar Freundinnen von mir klagte und sie es sich unabhängig voneinander zur persönlichen Aufgabe machten, mir das Stricken beizubringen. Da ich zu diesem Zeitpunkt zu der völligen Überzeugung gekommen war, schlichtweg zu dumm zum Stricken lernen zu sein und meine Frustrationsgrenze entsprechend niedrig lag, war das keine leichte Aufgabe. Ich werde meinen Freundinnen ewig dankbar sein, dass sie sich von meinem „Ich kann das einfach nicht!” nicht entmutigen haben lassen. (Nee, ernsthaft. Danke <3)

Strickpullover

Stricken ist für mich Wintersache, vermutlich weil ich spätestens dann am liebsten kuschelige Pullover trage und mich praktisch häuslich in ihnen einrichte. Ich liebe den Herbst und den Winter. Und so überkam mich auch diesen Dezember wieder plötzlich das Verlangen, zu stricken.

Zwar konnte ich mittlerweile Sachen wie rechte und linke Maschen, und hatte damit erfolgreich einige Mützen gestrickt, aber wie viele Mützen kann ein einzelner Mensch schon brauchen? Ohnehin, was ich eigentlich immer stricken können wollte, waren Pullover und Strickjacken. Die gehörten aber zu dem oben erwähnten Hexenwerk, von dem ich mich aus lauter Respekt immer ferngehalten hatte.

Strickmütze

Jetzt war aber 2020 sowieso alles anders, und ich dachte bei mir – wie könnte ich einen Lockdown besser verbringen als mit dem verzweifelten Versuch, einen Pullover zu stricken? „Tu es”, sagten meine Freundinnen. „Wir helfen dir auch, wenn du nicht weiterkommst.” Es klang ein bisschen wie ein faustianischer Deal, aber was soll’s. Ich stricke gerade an meinem allerersten Pullover.

Stricken entspannt mich, entschleunigt mich. Anders als beim Nähen muss ich dafür nicht noch erst den Tisch freiräumen und die Nähmaschine aufbauen, ich kann mich mit dem Strickprojekt auf der Couch einmümmeln und dabei fernsehen, oder Musik hören. Es tut mir gut.

Stricknadel und Wolle

Es geht zwar nur langsam vorwärts, aber das ist okay. Und während ich zwischendurch schon wieder halb verzweifelte, weil ich Fehler eingebaut, mich verzählt oder unschöne gestrickt hatte, haben meine Freundinnen mich stets ermuntert, weiterzumachen. „Das sieht nachher kein Mensch. Und wenn doch, ist das auch egal. Es ist ein Einzelstück, das niemand anders so jemals haben oder nachmachen kann.” Befreiung vom Perfektionismus, sozusagen. Das ist doch auch irgendwie schön.

3 Kommentare

  1. Kreative Schübe: Meine Liebe zu Aquarellfarben - Das Bücherfräulein

    12. Februar 2021 at 10:16

    […] es im Herbst draußen langsam kalt und ungemütlich wird, dann mümmele ich mich zuhause ein und arbeite mit Wolle. Wenn die Welt im Frühling draußen wieder langsam zum Leben erwacht, wenn die Tage länger werden […]

  2. Das Weihnachtswunder oder: Ich stricke einen Pullover - Das Bücherfräulein

    19. Februar 2021 at 10:37

    […] Über mein kompliziertes Verhältnis zum Stricken habe ich ja schon mal geschrieben – es ist eine Mischung aus dem Wunsch, es zu können und der Angst, zu versagen. Ja, es macht Spaß, ich zu sein.  […]

  3. Stricken mit Mohair-Wolle, und was das mit Anne Shirley zu tun hat - Das Bücherfräulein

    19. März 2021 at 10:30

    […] Anne verbindet (ich sage nur Puffärmel), aber das Herz will, das das Herz will. Als ich letzten Winter wieder ernsthaft mit dem Stricken angefangen habe, stieß ich relativ schnell auf ein relativ simples Strickmuster für eine Strickjacke, die mich […]

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