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Fräulein liest: „Get a Life, Chloe Brown“ – Talia Hibbert

Ich gestehe, für die erste Hälfte von “Get a Life, Chloe Brown” war ich verliebt. Eine dauergrummelige Protagonistin, die eine unsichtbare Behinderung hat. Ein Protagonist, der das menschliche Äquivalent eines Golden Retrievers ist. Sarkasmus, Body Positivity und Mental Health. Verbale Schlagabtausche, und zwar viele davon. Yay!

Für etwa die Hälfte des Buches liefert “Get a Life, Chloe Brown” genau das, was ich mir erhofft hatte – wirklich großartige Schlagabtausche, clevere Dialoge, liebenswerte Figuren zuhauf. Als die beiden Figuren dann schließlich zusammenkommen, erleidet das Buch das Schicksal vieler Geschichten, sobald das “Will they won’t they” ein Ende findet: Irgendwie ist das Feuer raus. Aber bevor wir weitermachen, hier erstmal ein paar Infos zur Handlung:

Chloe Brown beschafft sich ein Leben

Als Chloe Brown nur knapp einem Unfall entgeht, beschließt sie, dass sich ihr Leben ändern muss, denn ihr Nachruf wäre eine triste Angelegenheit. Also entwirft die Webdesignerin eine Liste mit Dingen, die sie unbedingt tun will, um etwas erlebt zu haben (Chloe liebt Listen). Dabei helfen soll ihr ausgerechnet der Hausverwalter Redford “Red” Morgan helfen. Der ist tätowiert, fährt Motorrad, kann alles reparieren – und ist der netteste, sensibelste Kerl, den man sich vorstellen kann. Das einzige Problem daran? Chloe und Red können sich nicht ausstehen.

“Get a Life, Chloe Brown” (Bonus-Brownie-Punkte für die Peanuts-Referenz im Titel) hat vieles, wirklich sehr vieles, das ich unheimlich gerne mochte. Zum einen, dass die Protagonistin eine schwarze Plus Size-Frau ist, was aber nie wirklich Thema sondern ganz selbstverständlich ist. Zum anderen, dass Chloe Fibromyalgie hat. 

Representation matters

Also, nicht dass ich das irgendjemand wünsche oder gar cool finde. Aber als jemand, der ebenfalls an einer chronischen Erkrankung leidet, war es erfrischend, sich in Chloes Gedanken und Lebensrealität so wiederzufinden. Chloe muss stets einkalkulieren, wieviel sie ihrem Körper zumuten kann, muss vorausplanen, wie sie ihre Arbeit erledigt kriegt, sollte sie wieder eine Episode bekommen, und will niemandem zur Last fallen. (Hashtag MOOD.) Dabei definiert sich Chloe aber nie über ihre Erkrankung, sondern lebt einfach damit so gut es geht. Go you, Chloe

Damit einhergehend allerdings hat Chloe einige Traumata zu verarbeiten, was Beziehungen angeht, vor allem intime. Ihre alten Freund*innen, die Chloe als Partygirl kannten, haben sich längst von ihr abgewandt, und auch ihre letzte Beziehung zerbrach daran, dass ihr Freund ihr vorwarf, sich zu sehr auf ihrer Erkrankung auszuruhen. (Fuck you, A**hole.) Nichtzuletzt deswegen hat Chloe das Thema Beziehung für sich abgeschlossen. Als Chloe und Red sich schließlich näherkommen, muss Chloe innerlich einige Mauern überwinden, bis sie Red wirklich vertrauen kann.

Wirklich echte Figuren

Der wiederum hat sein eigenes Trauma-Päckchen zu tragen: Nach einer toxischen Beziehung hat der gutaussehende und vielversprechende Künstler das Malen aufgegeben, kann die Dämonen aber nicht wirklich überwinden. Als er glaubt, dass Chloe ihn nur benutzt und keine wirklichen Gefühle für ihn hat, reagiert er panisch und verletzt.

Wie schon erwähnt, mochte ich wirklich vieles an dem Buch. Die Figuren fühlten sich echt an, und besonders gefiel mir, dass red schon bevor er Chloe kennenlernt, zaghaft wieder mit dem Malen anfängt. Chloes Enthusiasmus bekräftigt ihn, aber ihre Beziehung löscht nicht wie von Zauberhand seine Probleme aus. Red beginnt unter anderem eine Therapie, und das ist ein weiterer Bonuspunkt des Buches: Therapie ist kein Stigma, sondern etwas Positives. Die beiden Figuren helfen und unterstützen einander, aber ihre Traumabewältigungen erarbeiten sie sich trotzdem von allein. 

E-Mail für dich

Die Dialoge (und halb zynischen Emails, die sich Red und Chloe anfangs schreiben), sind einfach nur fantastisch. Witzig, clever und ehrlich. 

Etwa zur Hälfte des Buches verpufft diese Spritzigkeit etwas–Chloe und Red entwickeln ein Beziehung und verbringen viel Zeit damit, sich anzuschmachten und übereinander herzufallen. Was, muss ich dazusagen, in einem Liebesroman natürlich nicht ganz ungewöhnlich ist, aber mir persönlich war hier das Gefälle zwischen der ersten und zweiten Hälfte zu groß. 

Einfach wohltuend

Trotzdem hat mich “Get a Life, Chloe Brown” wirklich gut unterhalten. Wer eine süße, wohltuenede Contemporary Romance mit einem liebenswerten Beta-Helden und einer ganzen Reihe von schrulligen Figuren sucht, wird hier garantiert fündig. 

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